Die gezeigten Schicksale von Flucht und Vertreibung sollen historisches Bewusstsein fördrern
Groß-Gerau – Landrat Thomas Will und Dr. Christean Wagner, Vorsitzender der Bundesstiftung Zentrum gegen Vertreibungen, haben im Foyer des Landratsamts Groß-Gerau die Ausstellung „Erzwungene Wege“ eröffnet. Die Schau, die erstmals 2006 in Berlin vorgestellt wurde und nun gut sechs Wochen im Kreishaus zu sehen ist, zeigt Schicksale von Flucht und Vertreibung und durchmisst zeitlich und räumlich das Europa des 20. Jahrhunderts.
Der Kreisverband Groß-Gerau des Bundes der Vertriebenen (BdV) hat die Wanderausstellung der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen nun ins Kreishaus GroßGerau geholt. „Wir freuen uns, dass wir die Gelegenheit bekommen haben, die Schau im Behördenzentrum zu präsentieren“, sagte Helmut Brandl, Vorsitzender des BdV-Kreisverbands. Die Schau lade dazu ein, sich mit diesem Teil der europäischen Geschichte zu beschäftigen; er hoffe, dass das Angebot von vielen Menschen angenommen werde. Die feierliche Eröffnung wurde musikalisch von der BdV-Musik- und
Gesangsgruppe Biebesheim/ Dornheim gestaltet.
Ein Klima der Weltoffenheit und Toleranz
„Wir dürfen die Vergangenheit nicht vergessen. Stattdessen
müssen wir mit diesem Wissen unsere Zukunft gestalten und zwar nach humanen und sozialen Kriterien, das ist die große Aufgabe“, so Landrat Will. Er erinnerte an die Heimatvertriebenen, die in unmittelbarer Nachkriegszeit in den Kreis Groß-Gerau kamen. „Im Jahr 1960 waren rund 35.000 Heimatvertriebene bei uns registriert, das entsprach einem Bevölkerungsanteil von 21,7 Prozent“, sagte Will. „Auf den Schock der Vertreibung folgte oft die bittere Erkenntnis, in der neuen Heimat nicht willkommen zu sein. Heute sind wir froh, dass die Zugezogenen zu uns kamen. Und ich bin ein wenig stolz, dass bei uns ein Klima der Weltoffenheit und Toleranz herrscht“, sagte der Landrat. Er erinnerte auch daran, dass seit 2015 einige Tausend Geflüchtete in den Kreis gekommen seien. „Wir dürfen aus menschlichen Schicksalen keine Verwaltungsakte machen. In der aktuellen Debatte kommt mir die Menschlichkeit zu kurz“, sagte der Landrat.
Dr. Christean Wagner betonte, die Ausstellung, obschon bereits rund zehn Jahre alt, werde von Tag zu Tag aktueller. Die Ausstellung sei wichtig, wertvoll, bildend und schaffe ein historisches Bewusstsein. In der Tat bietet die Ausstellung auf vielen Schautafeln und einem elektronischen Board einen Überblick über die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Flucht, Vertreibung und Genozid im 20. Jahrhundert. Diese Ereignisse werden jeweils in ihrem historischen Kontext behandelt. Neben den menschlichen Tragödien werden auch die kulturellen Verluste dargestellt.
Als Hauptursache für Vertreibungen ethnischer Gruppen
und Minderheiten, so heißt es im Flyer zur Ausstellung, gelte vor allem die Idee des ethnisch homogenen Nationalstaats: „Menschen wurden auf den Weg gezwungen oder vernichtet, weil sich Staaten davon eine Frieden fördernde Wirkung versprachen oder weil diese Gruppen gewaltsamen Hegemonialansprüchen im Weg standen. Rassismus und Antisemitismus waren unabhängig vom Nationalismus eigene Motive für Vertreibung und Vernichtung.“
Die Ausstellung dauert bis zum 17. August 2018. Sie ist im Kreishaus Groß-Gerau im Foyer von Montag bis Donnerstag von 8 bis 18 Uhr sowie Freitag von 8 bis 16 Uhr zu sehen. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der für 12,95 Euro an der Infothek im Foyer erworben werden kann.
ggr
Foto: Kreisverwaltung