Wissenschaftsstadt stellt Hauptmaßnahmen vor
DARMSTADT – Der Mobilitätsdezernent der Wissenschaftsstadt Darmstadt, Michael Kolmer, und die Leiterin des Darmstädter Mobilitätsamtes, Katharina Metzker, haben am heutigen Donnerstag, 29. September, in einer digitalen Pressekonferenz über die Hauptmaßnahmen im Rahmen des Neubaus der Rheinstraßenbrücke über die Hauptbahnhofgleise berichtet.
So soll der Abriss nach dem derzeitigen Zeitplan Ende 2023 / Anfang 2024 beginnen und rund drei Jahre dauern. Etwa bis März laufen noch die Vorabmaßnahmen für den Einbahnstraßenring, die sukzessive nacheinander ausgeführt werden. Im Anschluss daran erfolgen Kanalbauarbeiten und der Beginn für den Bau einer Behelfsbrücke. Die Gesamtbaumaßnahme hat eine Länge von rund 270 Meter.
Nachdem im Frühjahr, im Zuge der letztes Jahr beschlossenen notwendigen Vorabmaßnahmen, auf der Nord- und der Südseite der Brücke, Arbeiten am Berührschutz und am Brückengeländer durchgeführt wurden sowie Kampfmittelsondierungen im Bereich der Gleise erfolgten, hatte das Mobilitätsamt der Wissenschaftsstadt Darmstadt Anfang September mit den ersten baulichen Vorabmaßnahmen für den notwendigen Einbahnstraßenring begonnen. In seiner letzten Sitzung hat der Magistrat nun den Abriss und den Neubau mit Straßen- und Gleisbau endgültig beschlossen.
„Wir machen die Brücke breiter, damit alle darauf Platz haben“
Mit Blick auf jüngste Schadensbilder aus der letzten Sonderprüfung sowie Vorkommnisse im aktuellen Kalenderjahr 2022, die Anzeichen zeigen, dass sich die Bausubstanz der Brücke immer weiter verschlechtert, ist es dringend notwendig, dass mit dieser umfangreichen Sanierungsmaßnahme gestartet wird. Unter Umständen drohen in naher Zukunft aus Standsicherheits- und Verkehrssicherheitsaspekten sonst starke Beschränkungen wie etwa eine mögliche Vollsperrung der Rheinstraßenbrücke. Dies hätte nicht nur massive Auswirkungen auf die schon jetzt überlasteten Knotenpunkte zwischen der Brücke, sondern auch auf die hochfrequentierte Main-Neckar-Bahnstecke „Mit der Maßnahme tätigen wir also eine unerlässliche Investition in die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur in Darmstadt und darüber hinaus“, stellt Mobilitätsdezernent Michael Kolmer fest. „Die Brücke Rheinstraße wird durch einen Neubau ersetzt, während der Knotenpunkt Rheinstraße / Zweifalltorweg / Am Kavalleriesand und die Rheinstraße bis zum Anschluss an den Knotenpunkt Rheinstraße / Goebelstraße / Berliner Allee umgebaut und grundhaft erneuert werden. Die Straßenbahn wird – anders als heute – komplett auf einem eigenen erhöhten Gleiskörper in der Fahrbahnmitte fahren. Deswegen und auch weil der Fuß- und Radverkehr mehr Platz erhalten soll, wird die Brücke von heute 26,5 Meter auf 43,5 Meter in Zukunft gebracht“, erläutert die Leiterin des Mobilitätsamtes, Katharina Metzker. „Wir machen die Brücke breiter, damit alle darauf Platz haben“, fast Michael Kolmer es zusammen.
Die Hauptmaßnahme besteht aus folgenden Teilprojekten:
Bauwerk Rheinstraßenbrücke
Der Ersatzneubau wird sich in vier Bauphasen gliedern. In Phase eins wird ein Teil des Bestandsbauwerkes abgebrochen. In Phase zwei wird der Neubau des ersten Teilbauwerks hergestellt. Nach Fertigstellung des ersten Teilbauwerks erfolgt analog zu Phase eins und zwei der Abbruch und Neubau des zweiten noch vorhandenen Teils des Brückenbauwerks.
Um den Fuß- und Radverkehr sicher und mit geringstmöglichem Umweg führen zu können, wird im Zuge der Vorabmaßnahmen eine Behelfsbrücke gebaut, die als gemeinsamer Fuß- und Radweg in beide Richtungen mit einer Breite von 2,50 Meter und barrierefrei ausgeführt wird. Sie ist an alle Knotenpunkte bis zur Baufeldgrenze angeschlossen und stellt somit die Durchgängigkeit in Ost-West-Richtung sicher. Zudem dient die Behelfsbrücke als Träger von erforderlichen Leitungen.
Die Rheinstraßenbrücke steht aus technischen, baukünstlerischen und städtebaulichen Gründen unter Denkmalschutz. Die aus der Entstehungszeit erhaltenen und denkmalgeschützten Bauteile der heutigen Brücke sind die Brückenköpfe aus Lavatuff, die darunter befindlichen originalen Teile der Widerlager und Böschungsmauern und die zwei Pfeilerreihen unterhalb der Brücke zwischen den Gleisen, die jeweils mit Buntsandsteinquadern verkleidet sind. Die Brückenköpfe und das Mauerwerk werden nach Möglichkeit in den Ersatzneubau integriert. Das Mauerwerk ist als Wandbekleidung für die Flügelwände und die sich anschließenden Stützwände vorgesehen.
DB-Strecken und Oberleitungsmaßnahmen
Der Brückenneubau bedingt den Neubau der Oberleitungsanlage. Die vorhandenen Anlagen werden zurückgebaut. Im Zuge des Brückenneubaus werden neue Maste neben und unter der Rheinstraßenbrücke sowie Ankerschienen am Überbau zur Befestigung von Hängesäulen vorgesehen. Die lichte Höhe über den DB-Gleisen soll auf 5,70 Meter erhöht werden, da die derzeitige lichte Höhe nicht mehr dem DB-Regelwerk für unterführte elektrifizierte Gleisanlagen entsprechen. Zur Aufrechterhaltung des Bahnbetriebes erfolgt während des Abriss und Neubaus eine Verlegung des Güterverkehrs auf andere Strecken.
Straßenbaumaßnahme Rheinstraße
Die neue Brücke wird mit 43,5 Meter erheblich breiter sein als die alte mit 26,5 Meter. Die Straßenbahn wird – anders als heute – komplett auf einem eigenen erhöhten Gleiskörper in der Fahrbahnmitte fahren.
Die Straßenbaumaßnahme beinhaltet die Oberflächengestaltung des Brückenneubaus und die grundhafte Sanierung des Knotenpunktes Rheinstraße / Zweifalltorweg / Am Kavalleriesand sowie den Abschnitt der Rheinstraße bis zum Knotenpunkt Rheinstraße / Goebelstraße / Am Hauptbahnhof / Berliner Allee. Der Knotenpunkt Rheinstraße / Zweifalltorweg / Am Kavalleriesand wird mit neuen Lichtsignalanlagen ausgestattet und barrierefrei ausgebildet. Die Aufstellflächen für Zufußgehende und Radfahrende werden aufgrund der Anzahl der zu erwartenden Zufußgehenden und Radfahrenden vergrößert.
Neben den beidseitig angelegten Gehwegen für die Zufußgehenden wird für die Radfahrenden beidseitig ein Zweirichtungsradweg vorgesehen. Lediglich im nördlichen Seitenraum im Abschnitt der Goebelstraße bis zur Schachtstraße wird es aus Platzgründen für die Zufußgehenden und die Radfahrenden einen gemeinsamen Geh- und Radweg geben. Dieser wird für Radfahrende in beiden Richtungen befahrbar sein. Durch die Verlegung der Hotelvorfahrt Maritim östlich des Gebäudes kann im nördlichen Seitenraum ein durchgehender Grünstreifen anstelle der heutigen Baumscheiben ausgebildet werden. Die große Eiche bleibt erhalten. Für den Kfz-Verkehr wird es südlich des besonderen Bahnkörpers zwei Fahrstreifen stadteinwärts und nördlich davon drei Fahrstreifen stadtauswärts geben. Für Reisebusse und Taxis wird eine neue Vorfahrt östlich des Gebäudes im Seitenbereich der Straße „Am Hauptbahnhof“ eingerichtet. An der Rheinstraße Ecke Am Hauptbahnhof wird zusätzlich eine Vorfahrt für zwei Kurzzeitparker eingerichtet.
Die Entwässerung der Fahrbahn erfolgt über Entwässerungsrinnen, Straßenabläufe / Brückenabläufe und Rohrleitungen, die das Niederschlagswasser in den Mischwasserkanal leiten. Der Seitenraum entwässert größtenteils in die geplanten Grünstreifen und kann dort versickern. Um die Aufnahme des Regenwassers zu gewährleisten wird der südliche Mischwasserkanal in der östlichen Rheinstraße durch einen größer dimensionierten Kanal ersetzt.
Kabel und Leitungen
Die vorhandene Trinkwasserleitung wird über das nördliche Brückenteilbauwerk geführt. Die vorhandene Gasleitung entfällt im Zuge eines Netzumbaus. Für die Sparten Strom und Telekommunikation werden 26 Schutzrohre in die Außenkappen des nördlichen Brückenteilbauwerks und 18 Schutzrohre in die Außenkappen des südlichen Brückenteilbauwerks integriert. Zudem bedarf die grundhafte Erneuerung der Rheinstraße und die Verbreiterung der Fahrbahn nach Norden außerhalb des Brückenbauwerks und am Knotenpunkt Rheinstraße / Zweifalltorweg / Am Kavalleriesand zahlreiche Umverlegungen von Bestandsleitungen.
Grünflächen, Baumbestand, Artenschutz, Ausgleichsmaßnahmen
Für die Brückenbaumaßnahme wurde ein landschaftspflegerischer Begleitplan mit artenschutzrechtlichem Fachbeitrag erstellt. Aufgrund der Verbreiterung der Rheinstraße und begleitenden Maßnahmen kommt es leider zur Fällung von 14 Straßenbäumen im Umfeld des Bauvorhabens und einer zehnstämmigen Baumgruppe, zur Rodung eines Feldgehölzes nördlich des Best-Western-Hotels, zur Versiegelung von Rasenflächen und Überbauung von Böschungsbereichen der Bahntrasse. Zudem sind am Knotenpunkt Rheinstraße / Am Kavalleriesand / Zweifalltorweg zwei weitere Bäume als voraussichtlich gefährdet anzusehen.
Während der Bauphase wird eine weisungsbefugte ökologische Baubegleitung zum Schutz der zu erhaltenden Bäume, Gehölze und Grünflächen im Baustellenbereich eingerichtet. Vorgesehen sind Ersatzpflanzungen im unmittelbaren Umfeld der Baumaßnahme von 16 Einzelbäumen sowie eines Feldgehölzes und die Wiederherstellung temporär beanspruchter Flächen. Die Artenschutzuntersuchung ergab, dass der parkartige Alteichenbestand im Bereich der Straßenbahnhaltestelle „Mozartturm“ Lebensraum für verschiedene Tierarten bietet. Hier sind mehrere Bäume vom streng geschützten Heldbock besiedelt und es finden sich vielfältige Baumhöhlen sowie ein hoher Totholzanteil. Des Weiteren ist innerhalb der Gleisanlagen sowie deren Böschung ein Vorkommen von Mauereidechsen festgestellt worden. Das vorhandene Brückenbauwerk bietet Nischen, die als Fledermausquartier geeignet sind.
„Durch geeignete Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen bearbeiten wir auch die Naturschutzthemen gut. Alle im Landschaftspflegerischen Begleitplan festgelegten artenschutzrechtlichen Maßnahmen wie die Wiederherstellung von Eidechsenhabitaten, Schutzmaßnahmen für Höhlenbäume und Anbringen von künstlichen Quartierkästen für Fledermäuse werden umgesetzt. Zum Schutz des Baumbestandes und für die Arten- und Naturschutzmaßnahmen wird eine weisungsbefugte dendrologische und ökologische Baubegleitung eingesetzt, die das Bauvorhaben, die festgelegten Schutz- und Vermeidungsmaßnahmen und die Herstellung der Ausgleichsmaßnahmen fortlaufend überwacht und dokumentiert“, erläutert Stadtrat Michael Kolmer.
Umleitungsführung
Im Zuge der Vorabmaßnahmen wird über die Dauer der Baumaßnahme für den Fuß- und Fahrradverkehr eine Behelfsbrücke errichtet. Zur Aufrechterhaltung und zum Schutz des Eisenbahnbetriebes erfolgt die Herstellung der Rheinstraßenbrücke unter Teilsperrung von wechselnden Streckengleisen. Der Bahnverkehr wird wechselnd auf die Nachbargleise umgeleitet. Eine Totalsperrung erfolgt nur für den Aushub des Überbausegments und das Einheben der Fertigteilträger.
Der Individual- und Busverkehr wird im sogenannten Einbahnstraßenring über die Brücke Stirnweg und Hilpertstraßenbrücke geführt. In der Hilpertstraße wird für den Radverkehr und Busverkehr ein separater Fahrstreifen zur Verfügung gestellt. Der Airliner-Bus wird über die Brücke Dornheimer Weg geführt. Nach der derzeitigen Planung wird ein Teileinbahnstraßenring etwa von April 2023 bis November 2023 gelten. Der finale Einbahnstraßenring gilt etwa ab Dezember 2023 für etwa 30 Monate. Anschließend wird für weitere sechs Monate erneut ein Teileinbahnstraßenring eingerichtet
Die Straßenbahn verläuft während der verschiedenen Bauphasen über die Rheinstraßenbrücke immer zweigleisig auf dem bestehenden und neuen Bauwerk. Es gibt temporäre Bauphasen für die Umlegung der Gleise, in denen ein Schienenersatzverkehr für die Straßenbahn eingerichtet wird.
Dem ÖPNV (Straßenbahn auf dem Brückenbauwerk und Busse im Umleitungsring) werden an den betroffenen Lichtsignalanlagen grundsätzlich eine Bevorrechtigung sowie erforderliche Ersatzhaltestellen eingerichtet.
„Bei dem Neubau der Rheinstraßenbrücke handelt es sich um die größte Infrastrukturmaßnahme der letzten Jahrzehnte in unserer Stadt. Als Autobahnzubringer in der Verlängerung der A 672 ist die Rheinstraße die wichtigste Stadteinfahrt bzw. -ausfahrt Darmstadts. Sie ist Teil der Bundesstraße B 26 von Riedstadt über Aschaffenburg nach Bamberg und stellt auch für den Radverkehr und den ÖPNV eine wichtige Hauptachse nach Westen und nach Osten dar. Pro Tag befahren diese Brücke rund 50.000 Kraftfahrzeuge, rund 250 Straßenbahnen und sie wird von etwa 250 Zügen unterquert. Hinzu kommen hunderte Fußgänger und Radfahrende. Mit dem Ersatzneubau werden einerseits die Defizite des Bauwerkes unter Berücksichtigung der erhöhten Tragfähigkeitsanforderungen entsprechend der aktuellen Normung beseitigt“, so Katharina Metzker. „Uns ist klar, dass durch die im Rahmen des Neubaus durchzuführenden Maßnahmen die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, auswärtige Besucherinnen und Besucher, aber insbesondere auch Anwohnerinnen und Anwohner und die im Umfeld liegenden Hotels und Unternehmen in unterschiedlicher Weise betroffen und belastet sein werden“, ergänzt Kolmer. Die Stadt plane daher eine umfassende Kommunikationskampagne im Zusammenhang mit dem Abriss und dem Neubau der Brücke Rheinstraße. Alle direkt oder indirekt Betroffenen, aber auch an dem Neubauprojekt Interessierte, werden crossmedial angesprochen und transparent informiert und erhalten einen Ansprechpartner während der Baumaßnahme.
Hintergrund
Die Rheinstraßenbrücke wurde 1910 bis 1912 mit drei Öffnungen von der preußisch-hessischen Eisenbahnverwaltung, einschließlich der Schienen für die damalige Dampfstraßenbahn nach Griesheim, errichtet. Mit der Elektrifizierung des Hauptbahnhofs Mitte der 1950er Jahre wurde das Bauwerk für den Oberleitungsbau angehoben. Sie zählt nicht nur zu den ältesten Brücken der Wissenschaftsstadt Darmstadt sondern ist auch durch ihre Lage im westlichen Stadtrand ein wichtiger Erschließungsbereich für das Stadtgebiet, die umliegenden Ortschaften sowie für großräumige Verbindungen über die BAB A5 und BAB A67. Aufgrund des schlechten Zustands der Brücke ist bekanntermaßen ein Ersatzneubau der Brücke unabdingbar.
(PS)