KREIS GROSS-GERAU – Landrat Thomas Will und Autor Fabian Jellonnek vom Büro für demokratische Kommunikation und politische Bildung im Netz („achtsegel.org“) haben auf dem Fachtag für Demokratie im Groß-Gerauer Landratsamt eine Dokumentation zum Thema „Hass und Hetze im Netz“ präsentiert. „Nicht zuletzt mit dem Erstarken der AfD hat sich Sprache verändert hat. Ich stelle in der Anonymität des Internets eine Verrohung der Sprache fest,“ sagte Will: „Mit dem Phänomen müssen wir uns künftig noch auseinandersetzen, deshalb haben wir die Dokumentation in Auftrag gegeben.“
In der neuen Dokumentation über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Hetze und Hass im Netz werden Erscheinungsformen wie Hasskommentare, manipulierende Nachrichtenseiten und Social-Media-Gruppen, in denen über gesellschaftliche Minderheiten gehetzt wird, erörtert. Eine Chronik listet rechtsextreme Gewalt, Straftaten und Vorfälle im Kreis auf. Zusammen mit seinem Kollegen Pit Reinesch hat Jellonnek auch verschiedene Akteure näher betrachtet, die am gesellschaftlichen Rechtsruck beteiligt sind. Neben einer Analyse enthält die Dokumentation zudem umfangreiche Praxistipps.
Beim Fachtag für Demokratie, einer Veranstaltung des kreisweiten Netzwerks gegen Rechtsextremismus und Rassismus, diskutierten Landrat Will und Jellonnek in einem von Manfred Eckl (Demokratiezentrum Hessen) moderierten Gespräch die Erkenntnisse aus der Recherche. Zunehmende Hasskommentare und fremdenfeindliche Äußerungen, Geschichtsrevisionismus oder die systematische Manipulation von Nachrichten sind auch in regionalen Foren zu beobachten. „Hass im Netz fordert unsere demokratische Gesellschaft heraus“, schreiben die Autoren Jellonnek und Reinesch. „Die Chronik extrem rechter Vorfälle im Kreis zeigt: Hass bleibt auf Dauer nicht virtuell, sondern kann reale Konsequenzen in unserem Alltag und Umfeld haben.“
Rechte Parallelwelten auf Facebook, Verschwörungstheorien, Stimmungsmache statt sachlicher Nachrichten – viele Themen sprechen die beiden Autoren in der Dokumentation an. Sie informieren darin beispielsweise über die Entstehungsgeschichte und gezielte Propagandatricks der extrem rechten Kleinpartei „Der III. Weg“ in der Region und über Aktivitäten weiterer rechter Gruppen. Und was man dagegen tun kann: „Jede Form von Engagement gegen Hass und Hetze im Netz hilft“, sagte Jellonnek. „Wir möchten mit unseren Recherchen ermutigen zu widersprechen.“
Die Umfrage des Hessischen Rundfunks, wonach viele in der Kommunalpolitik Aktive eine Zunahme der Anfeindungen gegen sie beklagten, habe ihn sehr nachdenklich gestimmt, sagte Will. Er sehe nun in der Dokumentation „viele gefühlte Erkenntnisse bestätigt“. In der Tat sei der Ton in der Gesellschaft rauer geworden, der Respekt habe sichtbar abgenommen. Doch gerade jetzt sei es wichtig, die Ideen einer weltoffenen Gesellschaft mit Leben zu füllen und unterschwelligem rechten Gedankengut entgegenzutreten. „Ich wünsche mir, dass wir mit den Ergebnissen der Dokumentation in Schulen, Vereine, Verbände gehen.“ Jellonnek: „Und es ist notwendig, dass Politik weiter mutig bleibt.“
Nach dem moderierten Gespräch wurden drei Workshops angeboten, die sich mit drei Formen von Diskriminierungen beschäftigten und hilfreiche Tipps gaben, sich dazu zu positionieren. Im ersten Workshop ging es um Strömungen des organisierten Antifeminismus und der Frage, was Rechtsextremismus mit Antifeminismus zu tun hat. Im zweiten Workshop ging es um einen angemessenen Umgang mit menschenfeindlichen und rassistischen Aussagen im eigenen Umfeld. Der dritte Workshop schließlich beschäftigte sich mit Queer-, Homo-, Transfeindlichkeit.
„Trotz vielen guten Parallelveranstaltungen, trotz Wochenende und gutem Wetter, war der Fachtag gut besucht und wir glauben, dass nahezu alle zufrieden nach Hause gegangen sind. Wir konnten aus den Rückmeldungen der Workshops für unsere Fachstelle neue Aufgaben mitnehmen und werden die Impulse der Netzwerkpartnerinnen und Netzwerkpartner in unsere Arbeit einfließen lassen “ resümierte Sedef Yıldız (Leiterin des Büros für Integration). „Ich denke, dass alle etwas zum Nachdenken und zum Weiterdenken mitnehmen konnten. Wir haben neue Kontakte geknüpft und neue Netzwerkpartnerinnen und Netzwerkpartner gewonnen. Neben den Workshop-Themen, die alle drei sehr sorgsam ausgewählt wurden, war uns die Präsentation der Dokumentation sehr wichtig. Bisher haben wir nur gute Rückmeldungen über die Dokumentation erhalten“ ergänzte Nilüfer Kuş (Fachstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus).
Die Dokumentation ist online unter der Rubrik Publikationen zum Downloaden zu finden unter www.kreisgg.de/netzwerk-demokratie. Auf Anfrage sendet Ihnen die Fachstelle im Büro für Integration auch Printexemplare zu. E-Mail an netzwerk-demokratie@kreisgg.de.