Zehn Jahre Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung

Bei der Tortenübergabe (von links): Prof. Dr. Eric Steiner, Chefarzt der Frauenklinik, Ava Hill, Projektverantwortliche im Büro für Frauen und Chancengleichheit, Erster Kreisbeigeordneter Adil Oyan, Yvonne Ederberg, Frauen helfen Frauen Groß-Gerau e.V., und Achim Neyer, Geschäftsführer des GPR Gesundheits- und Pflegezentrum Rüsselsheim gemeinnützige GmbH. Foto: GPR Klinikum

Jubiläumstorte für Modellprojekt

KREIS GROSS-GERAU – Seit dem Jahr 2013 ist der Versorgungsverbund „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ in Frankfurt etabliert. Aus dem Modellprojekt von damals ist inzwischen eine bundesweite Initiative gewachsen, mit 36 angeschlossenen Krankenhäusern – so auch das in Rüsselsheim am Main – in 27 Regionen in verschiedenen Bundesländern. In der vergangenen Dekade konnten mehr als 1100 Frauen medizinisch versorgt werden.

Das zehnjährige Bestehen des Modellprojekts im Versorgungsverbund feiern viele beteiligte Modellorte durch das Überreichen der Geburtstagstorte an die ausführenden Kliniken. Dies nahmen auch die Mitarbeiterinnen des Büros für Frauen und Chancengleichheit des Kreises Groß-Gerau zum Anlass, dem GPR Klinikum Rüsselsheim am 19. Juli zum Dank und zur Würdigung des unermüdlichen Einsatzes des Klinikpersonals gemeinsam mit dem Ersten Kreisbeigeordneten Adil Oyan eine Jubiläumstorte persönlich zu überreichen. Das Modellprojekt ist seit Dezember 2021 im Kreis Groß-Gerau etabliert.

Adil Oyan dankte allen Beteiligten für ihre Unterstützung dieses wichtigen Projekts. „Jede Vergewaltigung ist nicht nur ein Verbrechen, sondern auch ein medizinischer Notfall. Darum ist außer einer psychosozialen Betreuung der Opfer die medizinische Versorgung nötig. Dass wir im Kreis Groß-Gerau ein solches Angebot machen, kann nicht oft genug erwähnt werden. Denn der Bekanntheitsgrad dieser Hilfe muss so hoch wie möglich sein:  Nur, wenn die Versorgungswege und -möglichkeiten bekannt sind, können Frauen sie auch nutzen“, sagt der Erste Kreisbeigeordnete.

Frauen den Druck nehmen, eine Anzeige zu erstatten

Menschen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, können sich im GPR Klinikum Rüsselsheim sowohl medizinisch versorgen lassen als auch die Spuren einer Vergewaltigung gerichtsfest sichern lassen, ohne dass eine polizeiliche Anzeige erfolgen muss. So können die Opfer der Gewalttat auch später noch entscheiden, ob sie Anzeige erstatten möchten. Zudem haben die Frauen die Möglichkeit, pro-aktive Beratung durch Frauen helfen Frauen e.V. zu erhalten. Hier gibt es einen speziell zum Thema eingerichteten Notruf.

„Als Kooperationspartner dieses Projekts können wir Frauen den Druck nehmen, eine Anzeige zu erstatten. Trotzdem wird ihnen hier im GPR Klinikum medizinische Hilfe auf höchstem Niveau ermöglicht“, sagt GPR-Geschäftsführer Achim Neyer.

„Es ist ein beruhigendes Gefühl, in einer derart einschneidenden und belastenden Situation rechtssichere, vertrauliche und zugewandte Hilfe anbieten zu können“, ergänzt Prof. Dr. Eric Steiner, Chefarzt der Frauenklinik im GPR Klinikum.

Der Landkreis Groß-Gerau möchte so zum einen die medizinische Versorgung nach einer Vergewaltigung, auch für Menschen ohne Versicherungsschutz, sicherstellen, als auch die hohe Dunkelziffer mehr ins Hellfeld verschieben. Die Versorgung ist vertraulich, eine Anzeige erfolgt nicht, weder durch die Klinik oder eine Praxis noch die Beratungsstelle Frauen helfen Frauen e.V.

„Das war vor zehn Jahren das Hauptziel unserer Initiative“

Die enge Vernetzung von Verwaltung, Klinik, Politik, Rechtsmedizin und Beratungsstellen soll Hürden abbauen. Betroffene Menschen bleiben häufig medizinisch unversorgt, zum Teil, weil sie Sorge haben, dass gegen ihren Willen eine Anzeige erstattet wird. Diese Lücke soll mit dem Modellprojekt geschlossen werden.

„Nach einer Vergewaltigung brauchen betroffene Frauen und Mädchen einen schnellen und unbürokratischen Zugang zur medizinischen Versorgung – ohne dass dabei eine Anzeige bei der Polizei erfolgen muss. Das war vor zehn Jahren das Hauptziel unserer Initiative“, erläutert Angela Wagner von der Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt. „Schon vorab haben wir es gemeinsam mit vielen Kooperierenden wie der Ärzteschaft und der Rechtsmedizin, Polizei und Justiz sowie zahlreichen politischen Institutionen geschafft, gemeinsame Standards und Vorgehensweisen für die vertrauliche Untersuchung der Betroffenen zu entwickeln und zu etablieren. Seit zehn Jahren ist es uns nunmehr gelungen, den Frauen auch eine rechtssichere Spurensicherung im Krankenhaus anbieten zu können. Damit ergeben sich in der Regel bessere Chancen bei einer späteren Anzeige.“

Menschen aus dem Kreis Groß-Gerau nehmen die Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung immer häufiger in Anspruch. Damit das Angebot in der Öffentlichkeit präsent bleibt, wirbt das Büro für Frauen und Chancengleichheit regelmäßig für die Versorgungsstruktur, beispielsweise mit Plakaten, die auf Bussen großflächig zu sehen sind. Unter www.soforthilfe-nach-vergewaltigung.de finden Betroffene einen Handlungsleitfaden sowie die Adressen und Telefonnummern der Klinik, die dem Versorgungsverbund inzwischen angeschlossen ist. Außerdem erläutert die Seite die Unterschiede zwischen einer Untersuchung ohne und mit vertraulicher Spurensicherung.

Weitere Auskünfte erteilt auch das Büro für Frauen und Chancengleichheit unter der Telefonnummer 06152 989-84369.

(PS)

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