Kreis Groß-Gerau: Wie man Fachkräfte hält und gewinnt

Fünf Geschäftsführer von Unternehmen aus dem Kreis kamen mit Landrat Thomas Will und den Referentinnen bei der Fachkonferenz der Kreis-Wirtschaftsförderung im Landratsamt ins Gespräch. Auf der Bühne von links: Heiko Gimbel (formgrad Markendesign), Werner Nickel (Rudolf Fritz GmbH), Nadja Feßler (Kommunales Jobcenter Groß-Gerau), Roland Schneller (Cansativa GmbH), Moderator Carsten Rüger, Landrat Thomas Will, Sibylle Stippler vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V., Jan Boese (MediFit Rüsselsheim GmbH & Co. KG) und Björn Hickmann (Coreum GmbH). Foto: Kreisverwaltung

Konferenz der Wirtschaftsförderung stößt auf großes Interesse

KREIS GROSS-GERAU – „Der Kreis Groß-Gerau ist Teil einer der wirtschaftsstärksten Regionen Deutschlands. Er ist Zuzugsregion und einer der Kreise, die trotz des demographischen Wandels von Bevölkerungswachstum gekennzeichnet sind. Dennoch ist der Begriff Fachkräftemangel in aller Munde und das Thema brisanter denn je.“ Mit diesen Worten begann Landrat Thomas Will sein Grußwort bei der Fachkonferenz „Wirtschaftsförderung im Dialog“, die der Kreis alle zwei Jahre ausrichtet und die diesmal das Thema „Arbeitskräfte gewinnen. Best Practice-Impulse aus dem Kreis Groß-Gerau“ hatte.

Dass er mit dieser Einschätzung richtiglag, zeigte sich im Anschluss, als Sibylle Stippler vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. einen Vortrag darüber hielt, worauf es beim Finden und Binden von Mitarbeiter*innen wirklich ankommt. Gebannt lauschten die Gäste im gut gefüllten Georg-Büchner-Saal im Landratsamt den Ausführungen der Expertin. Sie motivierte dazu, sich den neuen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt – „Wir erleben eine historische Wende“ – zu stellen, wo Unternehmen um Mitarbeitende werben müssen und nicht, wie in der Vergangenheit, viele Bewerber*innen um wenige freie Stellen konkurrieren. Gute Führung, Strategie, Personalarbeit und Sichtbarkeit sind laut Stippler die Schlüssel, wenn es darum geht, Fachkräftesicherung zu betreiben. Was darunter zu verstehen ist, führte sie anhand anschaulicher Empfehlungen für die betriebliche Praxis aus.

Eine neue Fachkräfteallianz

Im nächsten Programmpunkt zeigte dann Nadja Feßler vom Kommunalen Jobcenter Groß-Gerau, dass das Thema auch in der Politik angekommen ist. Sie stellte die neu gegründete Fachkräfteallianz Kreis Groß-Gerau vor, zu der sich die arbeitsmarktpolitischen Akteur*innen mit dem Ziel zusammengeschlossen haben, eine nachhaltige Fachkräftesicherung zu gewährleisten.

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung kamen dann die Unternehmen selber zu Wort. Angeleitet von Carsten Rüger, dem Moderator der Veranstaltung, berichteten fünf geladene Geschäftsführer aus dem Kreis Groß-Gerau aus ihren Praxiserfahrungen und stellten ihre individuellen Strategien vor, wie sie der Herausforderung Arbeitskräftemangel entgegentreten. Mit formgrad Markendesign (Marketingdienstleistungen), Rudolf Fritz (Elektrohandwerk), Cansativa (Vertriebsplattform für Medizinal-Cannabis), MediFit (Gesundheitswesen) und Coreum (Ausstellung, Akademie und Eventlocation) setzten sich die Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen zusammen und variierten zudem in ihrer Mitarbeiterzahl zwischen fünf und 700 Beschäftigten.

Aber so unterschiedlich die Betriebe auch waren, so verbanden sie doch ihre Kreativität hinsichtlich der Findung neuer Mitarbeitender und ihre intensiven Bemühungen, auf die Wünsche und Bedürfnisse ihres Personals einzugehen. So werden Stellenausschreibungen schon mal mit den Speisekarten im hauseigen Restaurant ausgelegt oder es wird auf Elternabenden in Schulen um Nachwuchs geworben. Ein aktives und zielgenaues Ansprechen potentieller Mitarbeiter*innen auf Social Media ist selbstverständlich und auch die Bedeutung von Ausbildung und Praktika wurde immer wieder hervorgehoben.

„Diese Unternehmen sind Vorbilder“

Für die Gesprächspartner war jedoch die Bindung und Qualifizierung des vorhandenen Personals von beinahe noch größerer Bedeutung als die Neugewinnung. Denn freiwerdende Stellen lassen sich oft nur schwer ersetzen. Zudem geht mit jeder abwandernden Fachkraft Wissen und Erfahrung verloren. Hier waren sich die Befragten einig, dass es darum geht, alle Mitarbeitenden und deren Bedürfnisse sehr ernst zu nehmen. Zudem zählen die Ausstattung mit hochwertigen Arbeitsmitteln, Übertragung von Verantwortung, Mitbestimmung, Fortbildungen, familiäres Umfeld und Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeiten und -ort zu den wichtigsten Erfolgsrezepten.

Es wurde gezeigt, dass selbst wenn ein Mitarbeiter nach Südamerika auswandert, das kein Grund zur Kündigung sein muss. In dem dargestellten realen Fall hielt das Unternehmen aus Groß-Gerau den Mitarbeiter und nutze sogar die Zeitverschiebung, um einen bis dato nicht gekannten Zwei-Schicht-Betrieb einzuführen.

Bei so viel Ideenreichtum zog Landrat Will dann letztlich ein durchaus positives und Mut machendes Fazit der Veranstaltung und sagte im Nachgang: „Für mich ist es schön zu sehen, dass Unternehmen aus dem Kreis Groß-Gerau sich nicht ihrem Schicksal ergeben, sondern dass sie kreativ und innovativ sind, wenn es darum geht Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. Diese Unternehmen sind Vorbilder und tragen maßgeblich dazu bei, unseren starken Wirtschaftsstandort zu sichern und zu gestalten.“

(PS)

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