Hindenburgstraße heißt künftig Fritz-Bauer-Straße
DARMSTADT – Die Hindenburgstraße wird künftig Fritz-Bauer-Straße heißen. Dies hat der Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt, zusammen mit einer Reihe weiterer Straßenumbenennungen, in seiner jüngsten Sitzung beschlossen. Er folgte damit entsprechenden Empfehlungen des Fachbeirats aus Historikerinnen und Historikern sowie Kulturverantwortlichen, den Oberbürgermeister Jochen Partsch eingesetzt hatte. Fritz Bauer, ehemaliger Hessischer Generalstaatsanwalt, ist ebenfalls aktuell vom Land Hessen postum mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille ausgezeichnet worden, der höchsten Würdigung, die Hessen zu vergeben hat.
„Diese Umbenennungen stehen im Einklang mit dem Selbstverständnis, so wie es sich sehr weitreichend in der Bürgerschaft der Wissenschaftsstadt Darmstadt repräsentiert“, erklärte Oberbürgermeister Partsch. „Wir ehren Menschen, die sich auf herausragende Weise für die Demokratie, für die kulturelle Vielfalt, für Fairness und Toleranz eingesetzt haben. Ihnen kommt nun ein verdienter Platz in der Öffentlichkeit zu – das nämlich sind Straßennamen. Sie bilden das sichtbare Netz der kulturellen Topografie einer Stadt. Dies gilt für alle zur Namensgebung Ausgewählten, es gilt jedoch in besonderem Maße für Fritz Bauer, einem unerschrockenen Juristen, dessen unermüdlichen Einsatz es zu verdanken ist, historische Gerechtigkeit als Fundament unserer demokratischen Gesellschaft zu verankern.“
Die Umbenennung fußt auf dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 19. Februar 2013, alle Namensgeber und -geberinnen von Darmstädter Straßennamen daraufhin zu überprüfen, ob ihr Leben beziehungsweise politische Einstellung sich mit den Werten einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft vereinbaren lässt.
Nach Abschluss der Arbeiten zur Prüfung der Darmstädter Ehrengräber beauftragte Oberbürgermeister Jochen Partsch den bestehenden Fachbeirat, der sich aus Historikerinnen und Historikern sowie Beschäftigten der städtischen Kulturverwaltung zusammensetzte, mit der Prüfung der Straßennamen. Der Auftrag wurde dahingehend präzisiert, das Leben von Personen, nach denen Straßen in Darmstadt benannt sind, nach ihrer möglichen Verstrickung in das nationalsozialistische System während der Jahre 1933 bis 1945 zu untersuchen.
Auf Basis der Empfehlungen des Fachbeirats beschloss der Magistrat im Jahr 2019 in acht Fällen die Aberkennung der bisherigen Widmung von folgenden Straßen- und Platznamen:
Alarich-Weiss-Straße, Brandisstraße, Georgiiplatz, Grundstraße, Hindenburgstraße, Kleukensweg, Kuhnweg und Von-der-Au-Straße. Die Stadtverordnetenversammlung folgte dem im Juni 2019 mit großer Mehrheit. Der Beschluss, so betonte OB Partsch seinerzeit bezog sich auf politische Haltung und Handlungen, die undemokratischem Geist Vorschub geleistet und den Weg in den Nationalsozialismus bereitet hatten.
„Die Straßenumbenennung jetzt ist das Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses, bei dem wir auf größtmögliche Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger geachtet haben“, ergänzte Stadtrat Paul Wandrey, in dessen Dezernat das für die Ausführung zuständige Vermessungsamt fällt. „Diese Beteiligung hat sich in der Wahl der künftigen Namen ausgezahlt.“
Zunächst gab es am 1. Juni 2021 ein Online-Symposium, bei dem ausgewiesene Fachleute über die Umbenennung von Straßen allgemein sowie über ähnliche Projekte in anderen Städten referierten. Daneben wurde der Prozess im Oktober 2021 von einer Ausstellung sowie einer Veranstaltung zur Bürgerinformation begleitet. Zeitgleich war es den Bürgerinnen und Bürgern möglich, über die städtische Beteiligungsplattform Vorschläge für Umbenennungen einzureichen. Die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung wurden dem städtischen Beirat für Straßenbenennung übergeben, der sich eingehend mit den eingegangenen Vorschlägen aus der Bürgerschaft befasste. Insgesamt haben die Bürgerinnen und Bürger 170 Vorschläge eingereicht.
Als Ergebnis intensiver Beratungen empfahl der Beirat für Straßenbenennung: Die Alarich-Weiss-Straße auf der Lichtwiese wird im Einvernehmen mit der TU Darmstadt nach dem Nobelpreisträger für Physik Peter Grünberg (1939-2018) benannt. Die Brandisstraße wird in Abstimmung mit der Merck Wohnungs- und Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH nach Jonathan Heimes (1990-2016) benannt, dem Initiator der Aktion „Du musst kämpfen“. Die Widmung des zum großen Teil auf dem Griesheimer Stadtgebiet liegenden Georgiiplatzes nach Walter Georgii wird aberkannt. Da der dortige Bereich von Griesheimer Seite städtebaulich umgestaltet wird, kann eine Neubenennung erst nach endgültiger Herstellung der Platzgestaltung in Abstimmung mit der Stadt Griesheim erfolgen.
Die Kranichsteiner Grundstraße trägt künftig den Namen der Kinder- und Jugendbuchautorin sowie Übersetzerin Mirjam Pressler (1940-2019). Die bisherige Hindenburgstraße wird nunmehr Fritz Bauer (1903-1968) ehren, den unermüdlich um die Wahrnehmung des während des Nationalsozialismus begangenen Unrechts kämpfenden Hessischen Generalstaatsanwalt, der unter anderem den Frankfurter Auschwitzprozess initiierte. Der Kleukensweg wird nach der Tänzerin und Tanzpädagogin Elizabeth Duncan (1871-1948) benannt, die auch in Darmstadt wirkte. Der bisherige Kuhnweg erhält den Namen von Ruth Horn (1908-1987), der ersten weiblichen Stadtverordneten der Nachkriegszeit. Die Von-der-Au-Straße erinnert künftig an die legendäre Darmstädter Reiseschriftstellerin Milli Bau (1906-2005).
Diesen Empfehlungen ist nun der Magistrat gefolgt. „Mein Dank gilt den Bürgerinnen und Bürgern, die diesen notwendigen Prozess engagiert mitgegangen sind – im Bewusstsein, dass die Würde der städtischen Gesellschaft sich auch in den Namen spiegelt, die öffentlich geehrt werden. Am Wechsel des Namens Paul von Hindenburg, der die junge Weimarer Demokratie durch die von ihm mitinitiierte Dolchstoßlegende von Beginn an vergiftete und schwächte und Hitler ins Amt berief, zu Fritz Bauer, der mit unglaublichem Mut die Verbrechen des Nationalsozialismus ins Zentrum der gesellschaftlichen Debatte hob und vor Gericht brachte, wird das besonders deutlich. Ich sage dies zudem mit großem Respekt vor der aktuellen Entscheidung des Landes Hessen, Fitz Bauer in Würdigung seiner beispiellosen Verdienste postum die Wilhelm-Leuschner-Medaille zuzuerkennen“, so OB Partsch abschließend.
(PS / ono)